Volkes Lied und Vater Staat




Die DDR-Folkszene 1976-1990

"Nie hätte sie sich vorstellen können, dass es so ein Festival wie das in Rudolstadt gibt, schwärmt Nora Guthrie in einem Brief. Darin ruft die Tochter des legendären Folksängers Woody Guthrie allen Musikern entgegen: "BOOK an extra night! Bucht eine weitere Nacht! Bleibt da! Erlebt das Festival, stürzt Euch ins Getümmel, denn so etwas wird Euch nie wieder begegnen." (Zitat-Quelle*)

Die Rede ist von Deutschlands größtem Festival für Folk und Weltmusik. Bleibt zu fragen, warum es gerade im Osten Deutschlands stattfindet. Oder auch, weshalb bei DDR-Folkbands die Handwerksgesellenlieder so beliebt waren.
Auf diese und so viele andere Fragen gibt es genügend Antworten in einem längst überfälligen Buch mit einer ersten umfassenden Darstellung der DDR-Folkszene überhaupt. So enthält es neben einem Überblicksartikel Themen-Beiträge, Interviews, Bandporträts, eine Chronologie, ein Szene-Lexikon, Fotos, Plakate, Bibliografie, Diskografie, Sach- und Personenregister sowie - und das ist das ganz Wunderbare - eine CD mit seltenen Aufnahmen. Das Buch schließt damit eine große Lücke für diejenigen, die seinerzeit dabei waren, für Nachgewachsene, aber auch neu dazu Gekommene.

Weblink zu "Warum wurde folkszene-ddr.de zu ostfolk.de?"

Die Autoren des Buches sind Insider: der Szene-Chronist Wolfgang Leyn, der Volkskundler und Dudelsackspieler Ralf Gehler, der Folk-Veranstalter und FOLKER-Autor Reinhard Ständer. Und es passt, dass die Buchpremiere während des Rudolstadt-Festivals* 2016 stattfindet. Zitate aus dem Buch: Volkes Lied und Vater Staat:

" Sendungen mit Volksmusik (- Folk inbegriffen) hatten 1981 einen Anteil von vier Prozent am Musikangebot des DDR-Rundfunks.

In den Magazinsendungen von Radio DDR I, Berliner Rundfunk und Stimme der DDR lief vor allem Unterhaltungsmusik (Schlager, Pop oder Bigband-Jazz). Das Jugendradio DT 64 brachte vor allem Rockmusik, das Kultur- und Bildungsprogramm Radio DDR II eher Klassik.

Deutsche und internationale Folklore, Volkslieder und Tänze waren vor allem an den Wochenenden in Abspielsendungen zu hören, meist brav arrangierte Lieder des 16. bis 18. Jahrhunderts mit professionellen Chören, Kunstliedsängern und Kammermusikgruppen.

Aufnahmen mit Bands der DDR-Folkszene erklangen fast nur in Spezialsendungen wie Folklore-Farben (1981 bis 1991, monatlich, 75 Minuten, Radio DDR II), Mit Brummtopf, Bass und Fiedel (ab Juni 1984, 14-täglich, 9o Minuten*, DDR I), gelegentlich bei Songs Lieder mit Grips (DT 64).




*Kleine Anmerkung der damaligen Musikredakteurin Elisabeth Heller:

Die Sendung "Mit Brummtopf, Baß und Fiedel - Folklore heute mit jungen Leuten" war eine vorproduzierte halbstündige Sendung, die jeweils an einem Dienstagabend von 22.30 Uhr bis 23.00 Uhr bei Radio DDR I ausgestrahlt wurde.

Ihre Moderatoren waren im Wechsel Rainer Kruggel (mitunter als stellv. Redakteur d. S.), Lutz Grahle und später bei Radio Aktuell Jörg Trotzki. Zu hören war die Sendung - bei Radio Aktuell dann mit dem Untertitel "Folklore international" - jeden 1. und 3. Mittwoch im Monat ab 22.30 Uhr.

Bei Klick auf einen Ausschnitt der ersten Seite eines Beispielmanuskriptes auf damals nur "Durchschlagpapier" öffnet sich ein solches vom August 1989


Von 1975 bis 1990 spielten 40 Folkbands Musiktitel in den Studios des DDR- Rundfunks ein. Damit war das Radio für die ostdeutsche Folkszene der wichtigste Musikproduzent, nicht wie im Westen die Schallplatte." (Zitat eins)

"Margit Nagorsnik war von 1980 bis 1991 in der Hauptabteilung Musik beim Rundfunk der DDR die für Folk und angrenzende Genres zuständige Produzentin. Sie erzählt: Wenn ich manche Bands draußen gehört habe, bei einem Festival zum Beispiel, da klangen die ganz frisch und locker. Aber im Studio wurde es dann schwierig, das war ja für viele eine neue Erfahrung, dann wurden sie steif, es kam nichts mehr rüber. " (Zitat zwei) | Weblink zum Ch.Links Verlag


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