Hörfestspiele 2003 | Plakattexte




Die damals 2. Berliner Hörfestspiele am 21. und 22. Juni 2003 standen unter dem Motto "Nalepasound" und wurden veranstaltet von OhrRing e.V. in Kooperation mit dem Deutschen Rundfunkarchiv, gefördert vom Rundfunk Berlin-Brandenburg, Kulturfonds und Hauptstadtkulturfonds, unterstützt von Deutschlandradio und Studio H2. In den Räumen der legendären Hörspielstudios des Funkhauses Nalepastraße erklangen dabei eine Auswahl der besten Hörspiele und Reihen aus 40 Jahren Rundfunk der DDR.

Plakattexte mit Hintergrundinformationen zum Funkhaus Nalepastraße

Bereits im Mai 1946 hatte der Ausbau eines provisorischen Funkhauses in einem ehemaligen Rudervereinshaus in der Regattastraße in Grünau begonnen. Parallel schritten die Planungen für ein Rundfunkzentrum in der Nalepastraße, auf dem Gelände einer ehemaligen Furnierfabrik, voran.

Verantwortlich waren der Bauhaus-Architekt Franz Ehrlich und Dipl. Ing. H. v. Papen, die zusammen bereits Studioprojekte für ein Rundfunkhaus in Dresden ausgearbeitet hatten, sowie der Rundfunktechniker Gerhard Probst, die Architektin H. Poetsch und der Akustiker L. Keibs.

Nach sechsmonatiger Bauzeit konnte am 31.12 1951 aus dem vorhandenen Block A die erste Sendung ausgestrahlt werden. Die Säle I und II sollten Anfang 1954 dem Betrieb übergeben werden, doch nach einem Brand am 16.2. 1954 verzögerten sich die Bauarbeiten und das Funkhaus Grünau blieb weitere zwei Jahre Ort der Hörspielproduktionen. Am 10.02 1956 schließlich wurde der Neubau in der Nalepastraße mit allen Studios in Betrieb genommen.

Der sogenannte Block B für die Musik- und Hörspielproduktion besteht aus einem äußeren Haus und acht inneren Häusern mit vier Aufnahmesälen und zwei Hörspielkomplexen. Jedes Studio hat ein eigenes Fundament, eigene Wände, ein eigenes Dach. Dadurch wird die Schallwellenübertragung von einem zum anderen Raum verhindert, so daß die Aufnahmen von der Außenwelt völlig abgeschirmt sind. Unterschiedlich große Studios mit veränderlichen Wänden und Bodenbelägen sowie ausgeklügelten Reflexionswinkeln durch nichtrechteckige Grundrisse ergeben eine Vielzahl natürlicher akustischer Räume.

Mikrophonanschlüsse im gesamten Gebäude und auf dem Freigelände ermöglichten unkonventionelle Aufnahmen. Der Saal- und Studiokomplex in der Nalepastraße war seinerzeit eine der modernsten Funkhauskonstruktionen, die ihresgleichen in Europa suchte. Die Hörfestspiele machen das legendäre Studio H1 zum ersten Mal seit langer Zeit (und vermutlich in diesem Zustand zum letzten Mal) zugänglich.


Fotos: Michael Rudolph


Die ersten Hörspiele kamen 1945 aus Dresden, zugleich begann der Ausbau einer Hörspieldramaturgie in Leipzig. 1952 konstituierte sich in der Hauptstadt das "Staatliche Rundfunkkomitee", die einheitliche, zentralistische Leitung für alle Programme und Sender. Von dieser Zeit an gab es nur noch eine einzige Hörspielabteilung für die gesamte DDR.

Das ostdeutsche Hörspielschaffen ist kaum überschaubar und noch lange nicht vollständig erfasst. Allein im Jahr 1989 wurden rund 300 Produktionen der Hauptabteilung Funkdramatik urgesendet: 37 Originalhörspiele, 11 Hörspielbearbeitungen, 26 Kurzhörspiele, 31 ausländische Stücke, 40 Featuresendungen, 25 Krimis, 40 Serienfolgen für Erwachsene sowie 86 Kinderhörspiele. Von den über 2000 Mitarbeitern auf dem Rundfunkgelände waren zu diesem Zeitpunkt ca. 120 Mitarbeiter in der Hauptabteilung Funkdramatik angestellt.

Die Berliner Hörfestspiele stellen zum ersten Mal eine Auswahl vor, die historische Entwicklungen, ideologische und formalen Trends und die Breite der Formen und Handschriften der künstlerischen Rundfunkproduktion der DDR repräsentiert.


Der Begriff "Nalepa-Sound" geriet Anfang der achtziger Jahre in die Programmdebatten der Hörspielabteilung im Ostberliner Funkhaus Nalepastraße. Er "war vor allem für die jüngeren Autoren, Dramaturgen und Regisseure eine spöttische Kategorie für die formellen wie inhaltlichen Konventionen des DDR-Rundfunks allgemein, aber auch seines Hörspiels." (Matthias Thalheim, Hörspieldramaturg und heutiger Leiter der MDR-Redaktion Künstlerisches Wort, 1992 in einer Auseinandersetzung mit Manfred Mixner vom SFB)

Ein charakteristisches Merkmal der DDR-Hörspieldramaturgie war die Wertschätzung einer überschaubaren "Geschichte" mit einer klaren "Botschaft" und sozial genauer Schilderung - für eine breite Hörerschaft. Die Vielzahl der Handschriften und künstlerischen Temperamente, die aufwendigen Produktionen mit hervorragenden Schauspielern und eigens komponierter Musik lassen sich dabei nicht auf einen agitatorischen Nenner bringen

"Nalepa-Sound" bedeutete im Hörspiel eine oft erstaunlich komplexe Reflexion der Verhältnisse und Widersprüche in der DDR - wurden doch relevante Fragen der Gesellschaft von der Erziehung bis zu Randgruppenthemen aufgegriffen und in einer Weise problematisiert, wie es weder beim DDR-Fernsehen oder bei der DEFA noch in den Printmedien zu finden war.

"Bei allen Einschränkungen und Reglementierungen blieb der Rundfunk ein vergleichsweise guter Ort für Autoren und ihre Partner. Gegenüber dem Fernsehen hatte er die Chance der unspektakulären Öffentlichkeit. Das Fernsehen war der Laden mit den großen Schaufenstern zur Hauptstraße. Keine Auslage blieb unentdeckt. Der Rundfunk residierte in der Seitenstraße, jedem zugänglich, aber nicht von allen wahrgenommen. Wer sich die Mühe machte, konnte in seinen Regalen auch im Hörspielfach Dinge entdecken, die andernorts längst aus dem Sortiment genommen waren.", schrieb Peter Gugisch, ehemaliger Leiter der Hauptabteilung Funkdramatik, 1993. || Rückseite des Programmflyers Michael Rudolph | PDF-Download | Beitragsquelle: www.hoerfestspiele.de